Kinderbuch
Manchmal denke ich, nur der Himmel ist die Grenze.
Zara
Zara will Rapperin werden. Aber wie soll sie den perfekten Song schreiben, wenn um sie herum nur Chaos ist? Wenn ihr Vater nach Paris zieht, der Neue in der Klasse ein Schleimbeutel ist und sie aus ihrer eigenen Band gekickt wird. Zum Glück gibt es Perihan! Die steht nämlich nicht nur auf Rap-Musik, sondern weiß auch, dass für die Lösung aller Probleme drei Dinge nötig sind: Schokolade, ein klarer Kopf und ein Plan. Ein guter Plan.
Leseprobe
Papa ist nicht da. Ich wache auf und als Erstes denke ich, Papa ist nicht da. Gleich fängt mein Bauch wieder an zu grummeln. Aber da fällt mir ein, dass ich keine Zeit zum Traurigsein habe, denn heute ist die Einschulung von Jonnie-Poponnie. Ich wollte doch noch eine kleine Extra-Schultüte für ihn basteln! Neben der, die Mama für ihn gekauft und mit Geschenken befüllt hat. (…)
Ich stürze zum Schreibtisch, um meine Schultüte für Jonnie zu basteln. Für Jonnie-Poponnie! Aus den Schubladen krame ich Aufkleber mit grünen und roten Glitzerdrachen – Jonnie liebt Drachen! – und dicke Wachsmalstifte, hellrote und hellgrüne Pappe und eine riesige gelbe Schleife, die ich extra gekauft habe, im Schreibwarenladen. Es soll eine einzigartige, noch nie da gewesene Jonnie-Poponnie-Drachen-Schultüte werden! Jonnie, mein außergewöhnlicher Bruder, soll sie stolz wie ein Schneekönig vor sich hertragen. Das ist ein Ausdruck, der macht, dass es warm wird in meinem Bauch. Jonnie-Poponnie ist mein Schneekönig! Und „außer-gewöhnlich“. Außergewöhnlich heißt nicht gewöhnlich oder nicht normal. Mama sagt immer: „Was ist schon normal?“
Jonnie ist anders an die anderen Kinder. Er spricht ein bisschen nuschelig und macht Fehler. Ich finde, es klingt sehr lustig! Er sagt zum Beispiel Sssule anstatt Schule und Eselfant anstatt Elefant. Papa findet, Jonnie ist ein Dichter. Jonnie-Poponnie ist auch ein bisschen langsamer als die anderen Kinder und ein bisschen kleiner und runder und er hat nicht so viel Kraft in den Armen wie die anderen. Er ist freundlicher und lustiger und lieber als die meisten anderen Kinder. Jonnie ist eigentlich immer gut gelaunt! Mein Bruder liebt Musik, genau wie ich. Man kann sagen, dass wir beide besessen sind von Musik. Am liebsten würden wir immer nur Musik hören und singen und tanzen. Jonnie spielt Trommel und ich singe dazu.
Jonnie-Poponnie liebt es auch, zu essen: Schokolade und Pommes, Gummibärchen und Würstchen, Nudeln mit Ketchup und alles. Jonnie hat einen kleinen weichen, kugelrunden Bauch, dicke rote Backen, weiße sanfte Haut, helle, strubbelige Haare und eine Brille. Die Ärzte und Wissenschaftler sagen, Jonnie hat das Downsyndrom.
(…)
Ich renne aus dem Zimmer, die Schultüte hinter meinem Rücken versteckt, und falle fast über Jonnie. Ich will rufen: „Jonnie-Poponnie, deine Schultüte ist fertig, kuck doch mal!“, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken: Jonnie sieht furchtbar aus! Er trägt einen zerrissenen lila Rock aus unserer Faschingskiste über seiner dunkelblauen Leinenhose. Er hat sich zwei große rote Kreise auf die Backen gemalt und seine schwarze Piraten-Augenklappe umgebunden. Schrecklich! Jonnie strahlt, als er mich sieht, und ruft aufgeregt: „Sssuhtüte! Sssuhtüte!“
Mama kommt aus der Küche, sieht mich und fragt mit leiser Pass-gut-auf-was-du-jetzt-sagts-sonst-gibt-es-ein-Riesendonnerwetter-hast-du-das-verstanden?!-Stimme: „Ist irgendetwas, Zara?“
„Willst du ihn so in die Schule gehen lassen?“, frage ich.
„Was heißt ,so‘? Jonnie hat sich schick gemacht. Ich finde ihn schön.“
Mama neigt sich zu Jonnie, streicht ihm seine Haare aus dem Gesicht und gibt ihm einen Kuss auf die Nase.
Jonnie lacht und ruft: „Sick gemacht. Sick gemacht.“
ZARA - Alles Neu