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Schwangerschaft, Geburt und die ersten Jahre mit einem Kind werden in unserer gesellschaftlichen Erzählung 

als etwas Selbstverständliches dargestellt, dass für alle Beteiligten in einem Happy End mündet.

 

Ulrike Schrimpf erkrankte nach der Geburt ihres zweiten Sohnes an einer postpartalen Depression.

Ihre Erfahrungen teilt sie hier in einer fesselnden Mischung aus persönlichem Memoir, wissenschaftlicher 

Erkundung und wertvollen Einblicken in die Gedanken- und Empfindungswelt von Betroffenen. 

Berührend und informativ schildert sie Krankheitsbild, Therapiemöglichkeiten und wie es ihr gelang,

den Mut aufzubringen, um danach ein weiteres Kind zu bekommen.

 

Wir müssen realistisch und nuanciert über Mutter- und Elternschaft sprechen, um falsche

Ideale zu entlarven und um den Weg zu bereiten für politische und gesellschaftliche Veränderungen,

die Eltern und Kindern wirklich helfen - und damit uns allen.

Sachbuch

Warum Depressionen rund um die Geburt kein individuelles Problem sind, und wie wir sie überleben

„Klug, kritisch, relevant - ein bewegendes Buch, das ich allen Müttern und Vätern,

eigentlich allen Menschen, ans Herz lege.“

Julia Karnick

Im Halblicht der nachlassenden Nacht stehe ich im Badezimmer und sehe in den Spiegel. Vor mir steht ein Mensch, den ich nicht kenne. Ich kann ihn nicht identifizieren. Erst recht nicht mit mir. Der Mensch ist wahrscheinlich eine Frau. Sie hat ein bleiches Gesicht und aufgerissene Augen. Ihre Gesichtszüge erscheinen mir seltsam verwaschen und aufgequollen. Die Frau hebt ihre Hand und streicht sich durch die Haare. Sie zittert, obwohl es nicht kalt ist. Sie schwitzt, obwohl es nicht heiß ist. Ihr Oberkörper schwankt, als könnte sie sich nicht aufrecht halten. Ihre Beine knicken ein. Sie beugt sich nach vorne und legt den Oberkörper und den Kopf in dem Waschbecken ab. Im Hintergrund klingelt ein Wecker. Kurz darauf beginnt ein Baby zu quäken.

(…)

Deshalb habe ich dieses Buch über die peripartale Depression geschrieben: für alle Betroffenen, ihre Angehörigen, die Menschen, die sie behandeln und medizinisch sowie therapeutisch mit ihnen zu tun haben, und für die Kinder der Betroffenen. Denn es gibt auch gute Nachrichten. Besonders sie liegen mir am Herzen, und ich will dazu beitragen, sie mehr zu verbreiten:

-       Die peripartale Depression ist keine schwierige oder komplizierte psychische Erkrankung.

-       Sie ist gut behandelbar und geht wieder vorbei.

-       Es gibt Medikamente, die effektiv und sicher helfen und die man auch in der Schwangerschaft und danach   - problemlos und ohne Nebenwirkungen für das Kind einnehmen kann.

-       Kinder von Eltern, die an einer peripartalen Depression erkranken, können selbst zu vollständig gesunden und glücklichen Menschen heranwachsen.

-       Die Tatsache, dass man bei der Geburt eines Kindes erkrankt, bedeutet nicht, dass man automatisch immer und bei jeder Geburt eines Kindes an einer peripartalen Depression erkranken wird.

 

Irgendwann wird die Erkrankung, wenn wir sie behandeln lassen, nur noch als dunkler Schatten der Vergangenheit in unserem Leben aufscheinen, vielleicht als Mahnmal, eine schreckliche Erinnerung, ein Meilenstein, möglicherweise auch als Wendepunkt. Aber sie wird es nicht mehr bestimmen, und wir werden wieder dazu in der Lage sein, uns im Spiegel zu erkennen und zu fliegen „bis ans Ende der Stadt, ans Ende der Welt und über den Rand“.

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